Darf ich auch mal zweifeln?
Zweifel gehören zum Leben. Wesentlich ist, wie ich damit umgehe und wer in solchen Situationen für mich da ist.
Zweifel gehören zum Leben. Wesentlich ist, wie ich damit umgehe und wer in solchen Situationen für mich da ist.
Oft kommen in unserem Alltag Zweifel auf: in der Pubertät an den Eltern und den Erwachsenen im Allgemeinen; später im Beruf an unseren Entscheidungen; und vielleicht verspüren wir auch existenzielle Zweifel angesichts von Krisen wie der Corona-Pandemie, dem Klimawandel und vielem anderen. Ist Zweifel also nur etwas Negatives?
Zunächst einmal gilt: Egal wie man zum Zweifel steht, er gehört einfach zum Leben dazu. Die Frage ist also eher, wie wir damit umgehen. Und wer zweifelt, der denkt nach. Wer zweifelt, der fragt. Wer zweifelt, der braucht ein Gegenüber, das zuhört, Reibebaum ist und sich vielleicht sogar anschreien lässt.
Der Gott des Christentums ist einer, der mit Zweifel umgehen kann, einer, der sich anzweifeln lässt. Die christliche Tradition berichtet von vielen Momenten des Zweifelns und Ringens mit der Welt und mit Gott.
Der Religionsunterricht bietet Raum für solche Fragen und Diskussion – und er bietet Antworten an. Aber ohne den Anspruch darauf, für alles ein Patentrezept zu haben. Darf ich also auch mal zweifeln? Ich glaube – ja.
"Glaube und sein Bruder Zweifel"
Eine tiefe Einsicht des Christentums ist die Überzeugung, dass Glaube und Vernunft eng miteinander verbunden sind. Glauben bedeutet eben nicht, die Vernunft an den Nagel zu hängen oder Gefühl und Verstand trennen zu müssen. Die Vernunft hilft vielmehr den eigenen Glauben immer besser zu verstehen, sich mit ihm auseinanderzusetzen, ihn anderen erklären zu können.
Zu dieser vernünftigen Auseinandersetzung gehört auch der Zweifel, das Nichtverstehen, manchmal auch das Verzweifeln am Sinn von Geschehnissen, ja selbst an Gott. Die Bibel scheut nicht davor zurück, auch diesem Zweifel Raum zu geben. Ein guter Christ, eine gute Christin zu sein bedeutet daher nicht, auf alle Fragen eine Antwort parat zu haben, sondern eben auch zu zweifeln - manchmal sogar ganz und gar ratlos zu sein; und trotzdem vertrauen zu dürfen.
So bleibt Glaube lebendig. Ohne Zweifel liefe der Glaube Gefahr selbstgerecht zu werden. Er liefe sogar Gefahr, fundamentalistisch zu werden. Diese Einsicht bringt der tschechische Priester und Religionsphilosoph Thomas Halik treffend auf den Punkt:
"Wenn der Glaube auf seinem Weg seinen Bruder, den Zweifel verlieren würde, würde er aufhören, ein Suchender und ein Fragender zu sein, er könnte in eine geistlose religiöse Praxis absinken, in einen Ritualismus oder eine Ideologie. Wenn der Zweifel seinen Bruder, den Glauben verlieren würde, könnte er der Verzweiflung verfallen oder in eine alles verätzende, zynische Skepsis abgleiten."
Religionsunterricht: Raum für kritische Auseinandersetzung
Im katholischen Religionsunterricht gibt es keine vorgefertigten, einfachen Antworten auf all die Fragen, die Kinder und Jugendliche sich selbst und ihren Lehrerinnen und Lehrern stellen. Es gibt vielmehr Raum für Diskussionen, für die Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen und Antworten. Die können nämlich ganz unterschiedlich ausfallen und das hängt beispielsweise auch vom persönlichen Zugang jeder Einzelnen und jedes Einzelnen ab. Deswegen ist auch die Antwort, die ganz oben zu lesen ist, nur eine von verschiedenen möglichen Reflexionen zur aktuellen Frage.
Dabei bietet der katholische Religionsunterricht jedoch immer Orientierung — und einen (ethischen) Werterahmen, der aus transparenten und klar ausgewiesenen Glaubensinhalten gespeist wird. Religionsunterricht liefert einen theologischen Blickwinkel und betreibt dabei trotzdem keine reine Glaubensunterweisung. Er möchte vielmehr Glaubensinhalte mit der Lebenspraxis von Kindern und Jugendlichen, mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen und unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen in Beziehung setzen. Auch Kritik an manchen Inhalten der katholischen Glaubenstradition hat hier Platz und wird ebenso im Unterricht reflektiert und diskutiert.
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